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Gedenkkundgebung zum Novemberpogrom

Kundgebung am 9.11. um 18.30;
Ecke Zirkusgasse/Schmelzgasse, 2. Bezirk, Wien

 
Niemals Vergessen!
Gegen Antisemitismus und Faschismus!
Gegen den antizionistischen Konsens!
Solidarität mit Israel!



(In der Zirkusgasse 22 stand bis zu ihrer Zerstörung und Plünderung am 10. November 1938 die Synagoge der seit 1736 bestehenden türkisch-jüdischen Gemeinde. 1988, ein halbes Jahrhundert nach der Zerstörung der Synagoge, wurde eine von der Stadt Wien gestiftete Gedenktafel angebracht.)


Bisher unterstützende Gruppen:
Anthropoid Innsbruck, Basisgruppe Lehramt, Café Critique, Context XXI, Fakultätsvertretung Sozialwissenschaften, GO-Dogma, Grünalternative Jugend (GAJ) Wien, Hashomer Hazair, Infoladen Wels, Israelitische Kultusgemeinde (IKG), Jüdische Österreichische HochschülerInnen, Linke alternative Basisgruppen Sozialwissenschaften, Licra Österreich, monochrom, ÖH Uni Wien, Ökoli, Redaktion NU, Studienvertretung Doktorat phil., Studienvertretung Judaistik, Studienvertretung Politikwissenschaft, www.juedische.at, Young Communists, Zionistische Föderation in Österreich, Zwi Peres Chajes Loge der Bīnai Bīrith


Die Pogrome rund um den 9. November 1938 waren nur die Höhepunkte eines von antisemitischen Ausschreitungen geprägten Jahres. Im Raubzug gegen ihre jüdischen NachbarInnen spielten die OstmärkerInnen eine Vorreiterrolle. Bereits vor der umjubelten Vereinigung Österreichs mit Nazideutschland am 12. März 1938 fanden Pogrome statt, denen nach dem Anschluss "wilde" Arisierungen folgten. Der Fanatismus veranlasste sogar die zentralen Stellen zu Maßnahmen, um die Enteignung der Jüdinnen und Juden im gesamten NS-Reich in "ordentliche" Bahnen zu lenken.
Nachdem es im Oktober in Wien erneut zu Gewalttaten, Plünderungen und Brandstiftungen gekommen war, schien die Zeit in den Augen der Nazis reif für ein Vorgehen im gesamten Deutschen Reich. Der Pogrom im November 1938 übertraf die bisherige Barbarei, und die Blutorgie ließ für die Zukunft noch Schlimmeres erwarten. Er war die endgültige Enthemmung des antisemitischen Mobs und der Auftakt zum Massenmord. Die damalige "Ostmark" und insbesondere Wien bildeten die Vorhut der Vernichtung.

"Spontane" Antwort der Bevölkerung

Die NSDAP-Propaganda versuchte, den Pogrom als "spontane" Antwort der Bevölkerung auf den Tod eines deutschen Diplomaten darzustellen. Der "Startschuss" zum Pogrom wurde dann vom Propagandaminister gegeben. Alle, die in den letzten Wochen und Monaten von den Parteistellen und Gauleitungen wegen unkontrollierbaren und "wilden" Arisierungen zur Ordnung gerufen wurden, durften nun endlich wieder zuschlagen. Der von den Nazis geprägte Name "Reichskristallnacht" kokettiert dabei mit dem "schaurig-schönen" Widerschein des Feuers in den auf der Straße liegenden Glasscherben und verharmlost die blutige Gewalt.

"Arbeitsteilung"

Während die SA in Zivil gemeinsam mit Angehörigen der Hitlerjugend und anderen Parteiorganisationen jüdische Geschäfte und Wohnungen plünderte und zerstörte, ging die SS, ebenfalls in Zivilkleidung, gezielt gegen FunktionärInnen jüdischer Organisationen vor. Verhaftete Jüdinnen und Juden brachte man in Schulen, Gefängnisse und in die spanische Hofreitschule neben der Hofburg, zwang sie zu "gymnastischen Übungen", ohne ihnen Nahrung zu geben und ließ sie aufrecht stehend schlafen. Einige Jüdinnen wurden gezwungen, sich zu entkleiden und zur Unterhaltung der Sturmtruppen sexuelle Handlungen mit Prostituierten auszuführen; andere mussten nackt tanzen. Ein Gestapo-Agent aus Wien berichtete später seinen Vorgesetzten, dass er und seine Kameraden Schwierigkeiten gehabt hätten, die Menschenmenge davon abzuhalten, noch mehr Jüdinnen und Juden tätlich anzugreifen.
In Wien wurden insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser meist durch Brandstiftung zerstört. 27 Juden wurden getötet und 88 schwer verletzt. 6.547 Jüdinnen und Juden wurden in Wien verhaftet, fast 4000 von ihnen wurden ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Tausende jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört. 4.083 jüdische Geschäfte wurden gesperrt. Allein im "Kreis Wien I" wurden 1.950 Wohnungen zwangsgeräumt. Hunderte Jüdinnen und Juden begingen darauf hin Selbstmord. Eine Rückgabe der enteigneten Wohnungen und Geschäfte nach 1945 fand praktisch nicht statt. Bis zum heutigen Tag profitieren die Nachkommen der TäterInnen in Wien und ganz Österreich von den Verbrechen, die damals ihren Anfang nahmen.



Aber nicht nur in Wien, auch in der ostmärkischen Provinz tobte der Mob:
Im heutigen Niederösterreich kam es zur Sprengung von Synagogen und zu Massenfestnahmen. Die Tempel in Berndorf, Vöslau und Baden fielen dem Pogrom zum Opfer. In Baden wurden alle Jüdinnen und Juden verhaftet, in St. Pölten kam es zu Massenfestnahmen.
In Salzburg-Stadt wurden Geschäfte verwüstet, Akten aus der Kultusgemeinde weggeschafft und die Synagoge demoliert. Im Land Salzburg wurden etwa hundert Juden und Jüdinnen festgenommen.
In Oberösterreich wurden 65 Jüdinnen und Juden bereits am 8. November festgenommen. In Linz und Graz wurden in der Nacht zum 10. November die Synagogen niedergebrannt.
In Klagenfurt wurde der Tempel völlig zerstört. Der Mob wandte sich vor allem gegen Wohnungen der Jüdinnen und Juden, da die Geschäfte bereits vorher "arisiert" worden waren. 40 Jüdinnen und Juden wurden verhaftet und nach Dachau deportiert.
In Tirol konzentrierte sich der Terror auf Innsbruck, wo vier Juden ermordet wurden. Im Burgenland wurde die Synagoge in Eisenstadt zerstört.



Gegen den antizionistischen Konsens!

Der für die österreichische postnationalsozialistische Gesellschaft charakteristische Antisemitismus tobt sich heute zunehmend im Hass auf den Staat der Shoah-Überlebenden aus. Der von Deutschen sowie ÖsterreicherInnen mit Begeisterung vom Zaun gebrochene Vernichtungsfeldzug gegen Polen und die Sowjetunion, der Beginn der totalen Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden im Herbst 1941 und die Flucht von vielen Jüdinnen und Juden waren die entscheidenden Ursachen für die Gründung Israels. Während der Zionismus in den 50 Jahren davor noch von vielen Jüdinnen und Juden abgelehnt wurde, da sie die Hoffnung auf Assimilierung nicht aufgaben oder ein Ende des Antisemitismus durch die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft erkämpfen wollten, bestätigte der deutsch-österreichische Vernichtungswahn in grausamer Weise die Notwendigkeit eines jüdischen Staates.
Trotz widriger Umstände und gegen den erbitterten Widerstand Großbritanniens gelang Tausenden Opfern des NS-Terrors die Flucht nach Palästina. Nach der Nichtanerkennung des UN-Teilungsplanes durch die umliegenden arabischen Staaten und der Staatsgründung Israels begannen diese ihren ersten Krieg gegen den neuen Staat. In den 15-monatigen Kampfhandlungen ließen über 6000 Israelis, viele eben erst den nationalsozialistischen Todesmühlen entkommen, ihr Leben. Israel ist seitdem Schutzmacht und Zuflucht für Jüdinnen und Juden weltweit. Selbst wenn, wie im 2. Weltkrieg, fast alle Länder dieser Erde ihre Grenzen nochmals für jüdische Flüchtlinge schließen sollten, gibt es mit Israel einen Ort, wo sie, solange die Möglichkeiten zur militärischen Selbstverteidigung gewährleistet sind, relativen Schutz vor antisemitischer Gewalt finden.
Genau dieses Recht auf Selbstverteidigung wird Israel jedoch in Europa zunehmend abgesprochen. Von den Medienberichten im ORF und den verschiedenen Tageszeigungen über die Rechte bis zu weiten Teilen der radikalen Linken wird die Schuld an der Eskalation des Nahostkonfliktes seit Beginn der "al-Aqsa-Intifada" ausschließlich bei Israel gesehen. Die einseitige Parteinahme hat System: Während die Europäische Union erst unlängst wieder einmal die Förderungen für die palästinensische Autonomiebehörde massiv erhöhte, ohne diese Gelder auch nur im Ansatz an den Versuch eines wirksamen Vorgehens gegen Terrororganisationen wie die Hamas oder den palästinensischen Islamischen Djihad sowie Sicherheitszusagen für Israel zu koppeln, folgen auf jeden Schritt Israels nur weitere Forderungen - wie etwa im Spätsommer dieses Jahres nach dem Gaza-Abzug. Die Lippenbekenntnisse zum Existenzrecht Israels gehen mit einem vollkommenen Desinteresse an der Verteidigungsfähigkeit Israels (etwa im Falle des iranischen Atomwaffenprogramms) und der moralischen Delegitimierung des Staates der Jüdinnen und Juden einher. Selbst die Bilder von niedergebrannten Synagogen im Gaza-Streifen wurden nicht zum Anlass genommen, Kritik am palästinensischen Antisemitismus zu formulieren.
Dabei wird der Hass auf Israel zunehmend auch zur Gefahr für die jüdischen Gemeinden in Europa. Mit dem Vorwand gegen Israel vorzugehen, werden in ganz Europa mittlerweile jüdische Gemeinden und Einrichtungen angegriffen. Dabei gilt es längst als normal, dass jede Synagoge, jede jüdische Schule und Organisation bewacht werden muss.
Zur erdrückenden Normalität in Österreich gehört auch, dass selbst die offenkundigsten antisemitischen Äußerungen und Vorfälle für weite Teile der Öffentlichkeit keinen Skandal darstellen und vielfach überhaupt nicht zu Kenntnis genommen werden. Im Vorfeld der steirischen Landtagswahl hetzte etwa FPÖ-Landesparteiobmann Leopold Schöggl gegen "Wiener Juden", die für die Zerstörung der "traditionellen Kultur" verantwortlich seien. Die antisemitischen Aussagen eines Politikers, der zu diesem Zeitpunkt immerhin das Amt des zweiten stellvertretenden Landeshauptmannes ausübte, waren der österreichischen Presse, die den Wahlkampf ansonsten mit großer Aufmerksamkeit verfolgte, höchstens kleine Meldungen wert.
Genauso wenig wurde zur Kenntnis genommen, dass im Verlag Promedia ein offen antisemitisches Buch veröffentlicht wurde, dessen Autor als renommierter israelischer Journalist vorgestellt wird, bei dem es sich in Wahrheit aber um einen in Schweden lebenden Antisemiten mit besten Kontakten zu Rechtsextremen und Holocaust-Leugnern handelt. Während die Veröffentlichung der französischen Version von "Blumen aus Galiläa" in der französischen Öffentlichkeit auf massive Kritik stieß, konnte hierzulande von einem Skandal keine Rede sein. Allein die Tatsache, dass ein linker Kleinverlag ein Buch publiziert, in dem wüste antisemitische Verschwörungstheorien unter dem Deckmantel der "Kritik an Israel" publiziert werden, hätte - wenn Österreich nicht Österreich wäre - einen öffentlichen Aufschrei hervorrufen müssen. Dass dieses Machwerk darüber hinaus von Fritz Edlinger, dem Generalsekretär der "Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen" und ehemaligen Vertreter der SPÖ beim Nahostkomitee der "Sozialistischen Internationale", herausgegeben wurde, komplettiert den Skandal, der keiner wurde.
Das nächste Ereignis dieser Art steht kurz bevor. Die palästinensisch-deutsche Koproduktion "Paradise Now" wird auch in österreichischen Kinos anlaufen. Zu erwarten ist, dass der Film von der Presse ähnlich gelobt werden wird, wie es in der Mehrzahl deutscher Zeitungen bereits der Fall ist. Wieder wird es nur eine kleine Minderheit sein, die angesichts eines Filmes Widerspruch erheben wird, in dem es um nichts anderes geht, als um Verständnis und Sympathie für palästinensische Selbstmordattentäter zu werben.

Wir wollen uns mit dieser Normalität nicht abfinden und uns mit dieser Kundgebung auch mit den jüdischen Gemeinden Europas und mit Israel als dem Staat solidarisieren, der im Ernstfall die Selbstverteidigung von Jüdinnen und Juden ermöglichen kann.
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