Fragt man nach dem Geschlechterverhältnis im
Nationalsozialismus, so liegt der Fokus auch heute noch auf der offiziellen
Verherrlichung der Frau als desexualisierte Mutter. Der weibliche Körper soll
als politisches Feld für die Rassepolitik gedient haben, Lust und Sinnlichkeit
im Sinne der bevölkerungspolitischen Aufgabe unter Kontrolle gehalten worden
sein. Das „Dritte Reich“ war zweifelsohne ein gewaltiges Unterfangen zur
rassistischen Steuerung der Fortpflanzung, doch die offenkundig
verbrecherischen Aspekte der NS-Sexualpolitik waren nicht in eine insgesamt
sexualitätsfeindliche Haltung eingebettet. Während einige zu konservativen
Werten zurückkehren wollten, versuchten andere NS-Autoren, die sexuelle
Befreiung nunmehr als „germanisches“ oder „arisches“ Vorrecht neu zu
definieren. Diese rebellische repressive Entsublimierung
im NS muss in Zusammenhang mit der Untergangsstimmung gedacht werden, die von
Anfang an im NS angelegt war.
Dass die NS-Sexualpolitik so deutlich den heute gängigen
Darstellungen widerspricht, kann als Effekt des „Normalisierungsprozesses der
fünfziger Jahre“ erklärt werden: Die sexfreundlichen Seiten des NS gerieten in
Vergessenheit, da man vor den eigenen Kindern oder dem Rest der Welt nicht
zugeben konnte, dass man am Dritten Reich durchaus Vergnügen gefunden hatte.
Dies „ließ sich mit der erfolgreichsten Taktik der Nachkriegsdeutschen im
Umgang mit ihrer Schuld nicht vereinbaren“ (D. Herzog).
Ein Vortrag im
Rahmen der Veranstaltungsreihe „Just Sex“ der Studienvertretung
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