Mi, 28.01.2009, 19:00-21:30,
NIG, Hörsaal II
Der Kampf um "kulturelle
Selbstbestimmung". Islamkritik und Politik im Namen des Volkszorns (Alex
Gruber)
Materialistisch
fundierte Islamkritik sieht sich immer wieder der Vorhaltung ausgesetzt, etwa
dasselbe zu betreiben wie die FPÖ und andere Rechtsextremisten, oder deren
rassistischer Mobilisierung zumindest in die Hände zu spielen. Kritik am Islam,
so die Ausführungen mit denen Ideologiekritik immer wieder konfrontiert wird,
sei per se rassistisch, kulturchauvinistisch oder auch 'imperialistisch‚. Sieht
man sich das Ganze jedoch etwas genauer an, stellt man rasch fest, dass FPÖ und
BZÖ mehr Gemeinsamkeiten mit der islamischen Erweckungsbewegung und auch mit
deren kulturrelativistischen Verteidigern haben, als alle an dieser falschen
Kontroverse beteiligten Seiten es wahrhaben wollen. Diese Gemeinsamkeiten zu
kritisieren und zu zeigen, dass sie alles andere als zufällig sind, ist die
Voraussetzung einer aufklärerischen und emanzipatorischen Islamkritik.
Do, 29.01.2009 13:00-15:30,
NIG, KOZ der StV Politikwissenschaft, 2. Stock, Zimmer 221
Was heißt
"Euroislam"? Über Tariq Ramadan und die Strategie der Muslimbrüder im
Westen (Esther Marian)
„Euroislam"
ist ein Konzept, das sich bei europäischen Politikern zunehmender Beliebtheit
erfreut. Was darunter zu verstehen ist, lässt sich am Beispiel eines der
erfolgreichsten islamischen Agitatoren in Europa zeigen, Tariq Ramadan, der
Beratertätigkeiten für Regierungen europäischer Staaten ausübt, häufig zu
Fernsehdebatten eingeladen wird und ein beliebter Ansprechpartner ist, wenn es
um den „Dialog der Religionen" oder „Kulturen" geht. Obwohl ihm der
Ruf eines „Moderaten" vorauseilt, beruft sich Ramadan offensiv auf seinen
Großvater Hassan al-Banna, den Gründer der Muslimbruderschaft, deren palästinensischer
Flügel die Hamas ist. Ramadan hat eine bedeutende Rolle beim Aufbau des
radikalislamischen Milieus in verschiedenen europäischen Ländern gespielt, von
dem er sich, wenn nötig, auch distanziert. „Euroislam" in seinem Sinne
läuft auf nichts weniger als darauf hinaus, die Islamisierungsbewegung, die
al-Banna stiftete, unter europäischen Bedingungen fortzuführen, und zwar nicht
in der Isolation einer verbitterten „Parallelgesellschaft", sondern als
gesamteuropäisches Programm, dessen Ziel die Etablierung einer Shariah-konformen
Moderne ist. Wie die moderat klingenden Töne, die Ramadan immer wieder
anschlägt, damit zusammenpassen, wird erst nachvollziehbar, wenn man nach den
islamischen Vorstellungen von Krieg, Frieden und Recht fragt.
Do, 29.01.2009, 16:00-18:30,
NIG, KOZ der StV Politikwissenschaft, 2. Stock, Zimmer 221
Das "Freudenhaus der Bourgoisie." Der islamische
Hass auf die Sexualität und die Dekonstruktion des Subjekts (Alex Gruber)
Während
Ahmadinejad die Existenz von Homosexuellen in der Islamischen Republik Iran
leugnet sind europäische Linke damit beschäftigt, die (abstrakte) Subjektform
des Homosexuellen und damit auch den Homosexuellenhass als einen Import aus dem
Westen zu brandmarken. Darin klingen sie nicht zufällig arabischen
Verschwörungstheoretikern ähnlich, die schon mal Homosexualität als israelische
Waffe im Kampf gegen die Palästinensische Autonomiebehörde halluzinieren, und
die in der Sprache zwar radikaler, aber im Inhalt mit der postmodernen
europäischen Linken durchaus deckungsgleich behaupten, „westliche
Überheblichkeit und Arroganz“ würden Homosexualität erzeugen, wo sie gar nicht
existiere. Dass sowohl die Vertreter des Regimes in Teheran als auch sunnitische Kleriker den
antiimperialistischen Wahn vertreten, Homosexualität sei ein "durch das
Freudenhaus der Bourgeoisie" (Ali Schariati) in die islamische Welt
eingepflanzter imperialistischer Spaltpilz aus dem Westen, scheint der
europäischen Linken offensichtlich nicht einmal der Beachtung wert, gilt es
doch vielmehr dem antiimperialistischen Kampf gegen die Zumutungen des
westlichen „Aufklärungsfundamentalismus“ neue theoretische Weihen – diesmal
dekonstruktivistische – zu verleihen.
Do, 29.01.2009 19:30-21:45,
NIG, Hörsaal II)
Mussolini, Hitler,
Achmadinejad? Wahrheit und Problematik des Begriffs Islamofaschismus (Gerhard
Scheit)
Franz
Neumann und Ernst Fränkel nahmen aus wohlerwogenen Gründen Abstand davon, den
Nationalsozialismus als Faschismus zu bezeichnen und scherten damit aus der
Front der linken Faschismustheoretiker aus. Daran wäre anzuknüpfen. Wenn Faschismus
als eine politische Form bestimmt werden kann, die der Einheit des Staats
Rechnung trägt, heißt das: Faschismus beruht auf Grenzen, setzt Grenzen und
hält Grenzen ein. So gesehen, sind der Nationalsozialismus und der Djihadismus
grenzenloser Faschismus: anders als der italienische Faschismus gehen die
nationalsozialistische wie die djihadistische Bewegung von vornherein aus von
der Weltverschwörung des Judentums, sie sind im Grunde die politisch
praktische, „positive“ Umsetzung der Protokolle
der Weisen von Zion. Diese größte am inständigsten geglaubte Lüge aller
Zeiten in die politische Tat umzusetzen, ist es aber nötig, die jeweiligen
regionalen und nationalen Voraussetzungen zu berücksichtigen – und hier
unterscheiden sich folgerecht die Bewegungen ganz deutlich. Wobei es in beiden
Fällen den Akteuren darum zu tun ist, aus der ideologischen und religiösen
Tradition jene Elemente herauszufiltern, die es erlauben, aufs Ganze zu gehen:
bei den Deutschen war das die Vorsehung des Führers und der Glaube an die
Dominanz der arischen Rasse; bei den Muslimen ist es die politisch-theologische
Vorstellung der umma und die Lehre vom „Haus des Krieges“.
So
wie der Nationalsozialismus aus dem Leitbild eines vollkommenen autarken
Staates in die Eroberung der Welt umschlug, so entspringt die universelle
Zielvorstellung einer weltweit herrschende umma der gegen den Universalismus
gerichteten, durchgängige Aufteilung der Welt in „Haus des Krieges“ und „Haus
des Friedens“. Zugleich bedeutet diese Totalisierung nach außen die
Desintegration des Staats nach innen: Nazifaschismus wie Islamofaschismus
betreiben auf ganz unterschiedliche Weise die Auflösung des Gewaltmonopols und
Zerschlagung des Staats in ein Konglomerat von Banden, die sich jeweils ad hoc
arrangieren, die Gewalt grenzenlos intensivieren und zuletzt die Existenz eines
einheitlichen politischen Gebildes nur noch völkerrechtlich vortäuschen.
veranstaltet von: Cafe Critique
unterstützt von: Studienvertreteung Politikwissenschaft
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