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Der Iran als Bedrohung

Ein Gespräch mit Stephan Grigat

Interview

(Eine Kurzfassung der Interviews erschien in der Printausgabe des „Anzeigers“, Nr. 8/2008, dem Magazin des Hauptverbandes des österreichischen Buchhandels. Die Langfassung erschien online)

 
Der Sammelband „Der Iran — Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“ basiert auf einem Symposium, das von der Organisation Café Critique im vergangenen Jahr veranstaltet wurde und soll versuchen, politische Aktivität im Hinblick auf das iranische Regime und Atomprogramm zu initiieren. Herausgeber Stephan Grigat im Gespräch.

Was war die Zielsetzung des Symposiums und des Buches?

Das Symposium fand Ende September 2007 statt und wurde maßgeblich von Café Critique, aber in Zusammenarbeit mit den Scholars for Peace in the Middle East organisiert. Die Idee zum Symposium entstand durch die Bekanntmachung der OMV im April 2007 ein Milliardengeschäft mit dem Iran zu planen. Wir fanden es skandalös, mit so einem Regime Geschäfte zu machen. Eigentlich haben wir auch Proteste von einigen politischen Gruppierungen in Österreich erwartet, aber nichts dergleichen geschah. Lediglich die USA haben die OMV kritisiert und Österreich darauf hingewiesen, dass ein Geschäft in dieser Größenordnung unter den Iran sanctions act falle und damit auch Sanktionen gegen die OMV verhängt werden könnten. Dies führte aber nicht zu einem Überdenken, sondern zu einer Art anti-amerikanischen Abwehrfront: Sämtliche der im Parlament vertretenen Parteien haben die Einmischung der USA kritisiert und sich hinter das Geschäft gestellt, leider einschließlich der Grünen. Mittlerweile gibt es unter den Grünen gewichtige Einzelpersonen, die das anders sehen und öffentlich kritisieren, aber erstmal war es so, dass alle sich hinter das Geschäft gestellt haben. Aus dem Grund haben wir uns gedacht, dass wir auch als sehr kleine Gruppe ohne allzu großen Einfluss ein solches Symposium organisieren, damit dieses Geschäft nicht unkritisiert einfach über die Bühne geht. Das Symposium hat dann auf der Universität Wien stattgefunden und hatte genau wie das Buch zwei Zielsetzungen: Zum einen sollte es um eine Beschreibung und Analyse der islamischen Diktatur im Iran gehen und zum anderen wollten wir darstellen, inwiefern solche Geschäfte, die von Österreich oder Deutschland aus mit dem Iran betrieben werden, dazu beitragen, dass dieses Regime weiter an der Macht bleibt und seine menschenverachtende Politik mit Unterstützung aus Europa weiter umsetzen kann.

Was genau ist die Aufgabe von Café Critique?

Café Critique ist ein relativ loser Zusammenschluss von GesellschaftskritikerInnen, die aus der Linken kommen. Es gibt immer diese Etikettierung, das sei eine antideutsch-kommunistische Gruppe, aber das sagt wenig aus. Antideutsch war mal in den 90er Jahren eine Zuschreibung für Leute, die ein sehr kritisches Verhältnis zur deutschen Wiedervereinigung und dem, was nachher in Deutschland passiert ist, haben und da gehörten Leute wie wir auch dazu. Wir haben auch gar kein Problem mit der Etikettierung antideutsch. Die Gegenfrage ist dann ja: „Ja, was sollen wir denn sein, pro-deutsch?“ Das Ganze steht für eine bestimmte Richtung einer radikalen Gesellschaftskritik, die sich von den politischen Bezügen her zum einen auf Karl Marx und vor allem auf die kritische Theorie Adornos und Horkheimers bezieht. Wir sind Leute, die von der Linken kommen, aber diese realexistierende Linke scharf kritisieren, weil wir denken, dass das, was die heutige Linke praktiziert, mit der Kritik von Marx und insbesondere Horkheimer und Adorno überhaupt nichts mehr zu tun hat. Wir glauben aber, dass man genau da ansetzen müsste, wenn es eine Art Erneuerung der Linken geben soll. Man muss das, was Marx gesagt hat, ernst nehmen und damit dann so etwas wie den realen Sozialismus kritisieren oder auch die heutige realexistierende Linke. Vor allem sollte man das ernstnehmen, was die Kritische Theorie in Reflexion des Nationalsozialismus versucht hat: die kritische Theorie von Marx auf den aktuellen Stand zu bringen, in Reflexion auf die Katastrophe, die stattgefunden hat — das halten wir heutzutage für fast noch wichtiger und da sehen wir ein eklatantes Scheitern der sonstigen Linken, also eine Art Aufklärungsverrat, der sich noch mal zugespitzt hat in den Reaktionen zum einen auf die Intifada ab 2000 in Israel und insbesondere nach 9/11. Da fand ein endgültiger Bruch in der Linken statt und ab da ist ganz klar, dass diese Linken, die unter dem Etikett antideutsch stehen, sich wirklich nur noch kritisch gegen den Rest positionieren können, weil das so deutliche Unterschiede sind, die dort klar geworden sind.

Gibt es denn nicht trotz der Abspaltung eine Gemeinsamkeit gegen aufkommenden neuen Faschismus?

Das kommt darauf an. Erstmal ist die Frage, wer die neuen Nazis sind und wo der neue Faschismus sich wirklich bedrohlich darstellt. Natürlich ist es richtig, gegen Neonazis in Österreich vorzugehen und gegen die Hetze der FPÖ zu arbeiten — ich versuche in dem Buch auch sehr klar eine Abgrenzung zu formulieren gegenüber den Ressentiments gegenüber dem Islam, wie sie von der FPÖ formuliert werden. Wir formulieren eine sehr scharfe Kritik nicht nur am Islamismus, sondern am Islam allgemein und trotzdem ist es klar, dass es nichts damit zu tun hat, was Heinz-Christian Strache äußert. Natürlich muss man gegen Nazis vorgehen und in gewissen Situationen kann man das auch mit Leuten machen, die man ansonsten nicht besonders mag, ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass eine Linke, die sich als antifaschistisch begreift, und immer nur glaubt, über die eingeborenen Nazis reden zu müssen, dass die es nicht wirklich ernst meint. Österreich und Deutschland sind heutzutage nicht die Länder wo Bücher wie „Mein Kampf“ und „Die Protokolle der Weisen von Zion“ die größte Auflage haben, das sind arabischsprachige Länder und der Iran. Darüber wollen diese Leute aber nicht reden, im Gegenteil spielen sie sich teilweise sogar als Schutzpatron dieser Leute auf, die sich selber ja teilweise durchaus in die Tradition des Nationalsozialismus und des Faschismus stellen. Wenn Linke sagen, wir arbeiten gegen Nazis und dann gleichzeitig Solidaritätsaufrufe mit Hisbollah und Hamas veröffentlichen, dann kann es mit diesen Leuten keinen gemeinsamen Kampf mehr gegen Nazis geben. Dann ist überhaupt nicht mehr klar, was diese Leute eigentlich unter Faschismus und Nationalsozialismus begreifen.

Der neue Faschismus kommt also eindeutig aus den arabischen Ländern?

Ja, das würde ich so formulieren. Das heißt trotzdem nicht, dass es in Europa nicht immer die Gefahr gibt, dass solche Strömungen stärker werden, z. B. ist das in einigen Regionen wie Ostdeutschland der Fall, und natürlich muss man etwas dagegen machen. Trotzdem, im globalen Maßstab gesehen, ist im Iran eine Regierung an der Macht, die Konferenzen zur Leugnung des Holocausts organisiert. Das ist keine politische Strömung, die am Rande agiert, sondern eine Regierung, die schon seit fast 30 Jahren an der Macht ist.

Im Buch werden viele Themen aufgegriffen, die mit der Islamischen Republik zu tun haben, aber im Ganzen steht es im Kontext des iranischen Atomprogramms. Sie selber sind wissenschaftlicher Mitarbeiter der Initiative STOP THE BOMB. Vielleicht können Sie kurz erläutern, was dahinter und hinter der STOP THE BOMB-Konferenz „Die iranische Bedrohung“ im Frühjahr 2008 steht.

Die Resonanz auf die STOP THE BOMB-Konferenz in diesem Jahr war sehr groß, im Unterschied zu dem Symposium von Café Critique im letzten Jahr. Mit der Café Critique-Konferenz sind wir in unserem eigenen politischen Umfeld geblieben und es gab keine Berichterstattung. Dennoch gab es als Resultat natürlich zum einen den Sammelband und zum anderen eine kontrovers geführte Diskussion, wie man jetzt weiter vorgehen muss. Es gab Leute, die gesagt haben, angesichts dieser Bedrohung, die ein nuklear bewaffneter Iran auch für Israel bedeuten würde, kann man sich nicht darauf beschränken, Bücher zu produzieren und Konferenzen abzuhalten, sondern man müsste viel praktischer aktiv werden und eventuell auch über den eigenen politischen Tellerrand hinaus. Daraufhin wurde das Bündnis STOP THE BOMB im Dezember 2007 gegründet. In diesem Bündnis arbeiten zwar auch Leute von Café Critique maßgeblich mit, aber es ist viel breiter: es sind Leute aus der Israelitischen Kultusgemeinde dabei, Einzelpersonen aus der ÖVP, der SPÖ, dem Umfeld der Grünen, der Schwulen- und Lesbenbewegung, der katholischen Jugendbewegung, Exiliraner oder die Demokratische Partei Kurdistan—Iran. Das Bündnis richtet sich als Aufhänger gegen den geplanten OMV-Deal, denn hier könnte man tatsächlich etwas machen. Wenn dieser Deal gecancelt werden würde, wäre das ein schwerer Schlag für das Regime. Denn es geht ja nicht nur um den ökonomischen Erfolg, sondern solche Projekte werden von dem Regime natürlich auch propagandistisch ausgeschlachtet. Das hat man jetzt in der Schweiz gesehen: die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg hat einen Milliardendeal abgeschlossen und die iranische Seite hat darauf bestanden, dass die Schweizer Außenministerin zum Vertragsabschluß in den Iran reist, weil sie natürlich damit ihre Isolation durchbrechen wollte. Die Schweizer Außenministerin hat das auch noch gemacht, man sah sie dann freudig lächelnd, natürlich mit Kopftuch mit Ahmadinejad Hände schütteln.

Das Kopftuch ist gesetzlich verankert im Iran.

Dann sollte man dort nicht hinfahren.

Sie sprechen sich gegen ökonomische Abkommen mit dem Iran aus.

Ich bin gegen jegliche Abkommen mit dem Iran, gegen ökonomische, politische, militärische.

D.h. Sie sind für die komplette Isolation des Staates?

Selbstverständlich.

Auf welcher Grundlage sollen dann Gespräche geführt werden?

Es gibt keine Gesprächsbasis mit einem mörderischen Regime. Für eine Gesprächsbasis braucht man eine Mindestannahme, nämlich, dass man seinen Gegner nicht umbringt. Und diese Gesprächsbasis ist seit 1979 im Iran nicht gegeben. Der entscheidende Punkt ist, dass man mit all diesen Gesprächen der iranischen Opposition in den Rücken fällt. Wenn man als Europäerin dorthin fährt und das Kopftuch trägt, um sich an die Sitten des Landes zu halten, fällt man all den Frauen dort in den Rücken, die es tragen und hassen. Das ist ein Verrat an den Frauen, die 1979 wochenlang gegen die Einführung des Kopftuchs gekämpft haben. An den Frauen orientiere ich mich, das sind die Leute im Iran, mit denen ich zusammenarbeiten möchte. Auch als offizieller Vertreter der deutschen Kultur kann man meiner Ansicht nach nicht in den Iran fahren und sich „anpassen“. Wenn man glaubt, man könnte dorthin kommen und sich nicht von dem Regime instrumentalisieren lassen, ist man freundlich ausgedrückt naiv. Das funktioniert nicht bei so einem totalitären Regime. Deswegen ist es ein Skandal, wenn wie zuletzt Claus Peymann in den Iran fährt und glaubt, er könne für die Bevölkerung spielen. Iranische Oppositionelle lachen ihn aus für so was bzw. sagen klipp und klar, das sei eine Schutzbehauptung, er wolle das machen, er stelle sich bewusst auf die Seite des Regimes und gegen die Bevölkerung für die er angeblich ja spielen wolle.

Sie sagten, es fände alles vor dem Hintergrund des Atomprogramms statt.

Das stimmt schon, aber das Anliegen des Buches ist es, gerade darauf hinzuweisen, dass es nicht allein um dieses Nuklearprogramm geht. Das ist durchaus auch eine Kritik an vielen anderen Publikationen, die in letzter Zeit zum Iran erschienen sind. Sie konzentrieren sich zu stark auf dieses Atomprogramm. Wir versuchen in dem Band, den Bogen weiterzuspannen und haben einen eigenen Artikel zum Thema Frauen im Iran oder über die Situation von Schwulen und Lesben. Man kann diese Sachen nicht isoliert voneinander betrachten, weil das Regime das selber auch nicht tut. Diese djihadistische Ideologie, das Streben nach Nuklearwaffen und die Praxis des Regimes gehören zusammen. Das gilt auch für STOP THE BOMB: natürlich ist der Atomkonflikt und der Stopp des Atomprogramms vorrangig. Wir glauben, es gibt noch die Möglichkeit, dies mit tatsächlich umfassenden Sanktionen zu erwirken, gleichzeitig wissen wir auch, dass dies relativ unwahrscheinlich ist und dann muss darüber geredet werden, was sonst getan werden kann. Aber nur auf den Stopp des Atomprogramms zu pochen, würde der iranischen Opposition nicht gerecht werden, die natürlich sagt, dass das Regime weiter Repressionen gegen die Bevölkerung durchführt, auch wenn das Atomprogramm gestoppt wird. Es geht also um mehr: den Terror gegen die Bevölkerung, die internationale Terrorunterstützung durch den Iran, um die Grundlagen dieses Regimes. Sowohl die Kampagne STOP THE BOMB als auch Café Critique und alle AutorInnen dieses Buches stehen klipp und klar für einen regime change im Iran — das ist unser eigentliches Ziel, wir wollen dieses Regime stürzen.

Wie soll das geschehen?

By any means necessary. Ich komme aus einer antifaschistischen Linken und ich weiß daher, dass Verhandlungen und Dialoge mit solchen Leuten nichts bringen werden. Im Gegenteil wird so etwas nur ausgenutzt, um die eigene Herrschaft zu legitimieren und weiter aufrecht zu erhalten. Alles, was funktioniert, um dieses Regime zu stürzen, unterstütze ich.

Es handelt sich ja bei der Islamischen Republik nicht um eine Diktatur im Sinne eines Macht-Putsches, sondern sie wurde gewählt. Welchen Stellenwert nimmt die Bevölkerung, gar die Zivilbevölkerung, ein?

Dennoch ist der Iran nach den Ereignissen von 1979 eine Diktatur, denn diktatorische Mittel haben den Machterhalt bewirkt. Dann wurde auch sehr schnell die „Herrschaft der Rechtsgelehrten“ eingeführt, die der Grund dafür ist, dass dieses Regime unreformierbar ist. Es ist ein Missverständnis des Westens, wenn geglaubt wird, dass, wenn jemand wie Präsident Khatami an die Macht kommt, sich alles ändert. Die „Herrschaft der Rechtsgelehrten“ ist das oberste und nicht änderbare Prinzip. Über dem Pseudo-Parlament steht immer die oberste Geistlichkeit, die das eigentliche Schicksal des Landes bestimmt. Deswegen kann man so ein Regime nur stürzen, wenn man tatsächlich eine Veränderung möchte. Natürlich gibt es im Iran in der Bevölkerung haufenweise Leute, die gegen dieses Regime sind und mit denen gemeinsam muss man dafür sorgen, dass dieses Regime zum Sturz kommt.

Bedeuten militärische Aktionen tatsächlich einen regime change und nicht lediglich absolutes Chaos?

Das kommt darauf an. Zum einen ist die Frage, was man mit militärischen Aktionen meint. Aber egal welche militärischen Mittel angewendet werden, also auch wenn es Aktionen wären, die sich ausschließlich gegen die Nuklearanlagen und vielleicht gegen die Führungsspitze der Revolutionsgarden im Iran richten: ich bin mir sehr bewusst, was das bedeuten würde, auch für Israel. Einige gehen in Israel bei einem solchen Szenario im besten Fall von bis zu 4.000 Toten aufgrund von Gegenschlägen oder Terrorangriffen der Hisbollah und der Hamas aus. Man muss die Situation von Israel realisieren, was einer der Gründe ist, dass es in dem Buch ein Kapitel zur Rezeption der iranischen Bedrohung im Staat der Shoahüberlebenden gibt, das von zwei israelischen Autoren geschrieben wurde. Auch diese anerkannten Politikwissenschaftler zeigen genau diese Option auf, und auch sie wissen, was es bedeuten würde. Die Frage ist nur: wenn die Weltgemeinschaft nicht in der Lage ist, das Atomprogramm des Iran zu stoppen, dann könnte eine Situation entstehen, in der Israel, von der Weltgemeinschaft einfach im Stich gelassen, gezwungen wäre, dies selber zu tun. Jeder in Israel weiß, dass Militärschläge gegen das Nuklearprogramm eine sehr schlechte Option sind, nur ist ein Iran mit Nuklearwaffen einfach gar keine Option. Wenn Israel sich selber ernst nimmt, dann kann es nicht akzeptieren, das ein Land, was seit fast dreißig Jahren permanent ankündigt, Israel zu vernichten, auch über die technischen Mittel verfügt, dies in die Tat umzusetzen. Wenn man Militärschläge nun verhindern will, muss sich die Weltgemeinschaft etwas anderes einfallen lassen, aber das tut sie ja nicht. Wenn es zu so etwas käme, wäre es nicht die Schuld von Israel, sondern z. B. der österreichischen Regierung, die den OMV-Deal nicht verhindert hat. Oder der deutschen Regierung, die die deutschen Konzerne eben nicht daran hindert, in einem Ausmaß von drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr Handel mit diesem Regime zu treiben. Dann ist es also die Schuld von all den Ländern, die alle nicht-militärischen Maßnahmen einfach torpediert haben. Wahrscheinlich würde eine militärische Maßnahme tatsächlich nicht zu einem regime change führen, aber auch viele iranische Oppositionelle sagen in privaten Gesprächen, sie hätten überhaupt nichts gegen Militärschläge einzuwenden, wenn es denn dadurch die Möglichkeit gäbe, einen regime change hervorzurufen. Ich befürchte, dass im Augenblick die Situation dazu im Iran noch nicht reif ist, aber man muss sich die Frage stellen, wie man dorthin kommen kann. Eine Möglichkeit wäre, die iranische Opposition ganz offen zu unterstützen. Aber auch das findet nicht statt. Die Europäer führen einen Dialog mit dem Regime, die sollen gefälligst die Opposition unterstützen! Die Amerikaner unterstützen nur halbherzig. Wenn ich es richtig im Kopf habe, wurden 60 Millionen Euro vom Kongress im Jahr 2008 für die iranische Opposition bewilligt — das ist ein Witz, die brauchen 60 Milliarden!

Im Hinblick auf die Geschichte der USA und Iran wäre es wahrscheinlich besser, wenn Europa diese Unterstützung liefern würde.

Sicherlich, aber wenn es die Europäer nicht machen… Natürlich gibt es viele gute Gründe für Iraner den USA gegenüber skeptisch zu sein. Das sind auch nachvollziehbare und gute Gründe. Das ändert aber nichts daran, dass die meisten Iraner, die ich kenne, sagen, dass wenn es nur die USA machen, dann sollen es halt die USA machen. Das ist so ähnlich wie im Irak. Auch viele Iraker haben keine gute Meinung über die USA, aber als Saddam Hussein gestürzt wurde, waren viele froh darüber, dass er weg war. Auch unter den iranischen Studierenden gab es zumindest 2001/2002 eine ziemlich pro-amerikanische Stimmung. Es gab sogar die Hoffnung eines Übergreifens im Rahmen des Irak-Krieges. Auch das Regime hat das offensichtlich befürchtet und damals eine panische Angst gehabt, auch weil sie gesehen haben, dass es in ihrer Bevölkerung Leute gibt, die die anti-amerikanische Propaganda nicht mehr glauben, sondern für die das eine Befreiungsperspektive war.

Wie rechtfertigen Sie das Stillschweigen über die Atomwaffen Israels und Unterstützung in Sachen Atomaufrüstung von Staaten, die nicht im Proliferationsvertrag sind, wie z. B. Indien, während der Iran, Mitglied des Proliferationsvertrages, reglementiert und beschränkt wird?

Man kann bei Nuklearwaffen nicht von dem Regime des jeweiligen Landes abstrahieren. Genauso wenig kann man von der politischen Realität der Länder abstrahieren, die Sie erwähnt haben. Es ist doch ein meilenweiter Unterschied, ob ein Regime versucht, sich Atomwaffen zu verschaffen, dass das einzige Land auf der Welt ist, das einem anderen Mitglied der Vereinten Nationen mit der Vernichtung droht und gleichzeitig eine aggressive Außenpolitik betreibt oder ob wir von dem Staat Israel reden, die einzige rechtsstaatliche Demokratie in der Region, von der jeder weiß, dass es seine offiziell nicht-deklarierten Nuklearwaffen niemals zur territorialen Expansion einsetzen würde und auch niemals in diesem „Krieg der Ideen“. Das sieht man allein daran, dass die israelischen Nuklearwaffen niemals zum Wettrüsten im Nahen Osten geführt haben. Wenn das z. B. von den arabischen Ländern als Bedrohung wahrgenommen worden wäre, dann hätten Saudi-Arabien, Ägypten und alle anderen sofort auch anfangen müssen, ein Atomprogramm zu beginnen, aber sie sind nie auf die Idee gekommen. Diese Länder kommen erst jetzt darauf, und zwar zu Recht, weil sie dem Iran genau das zutrauen, nämlich, dass er seine Nuklearwaffen eben nicht einfach zur Abschreckung oder für irgendwelche rationalpolitischen Ziele einsetzen würde, sondern dass er das eventuell zu sowohl mörderischen als auch selbstmörderischen Zielen einsetzen würde, weswegen dies auch eine Bedrohung für ihre eigene Herrschaft darstellt. Die meisten arabischen Länder haben Israel längst signalisiert, dass sie kein wirkliches Problem damit hätten, wenn Israel Angriffe auf Nuklearanlagen im Iran durchführen würde. Man kann also nicht davon abstrahieren, welche Länder das jeweils sind. In dem einen Fall haben wir ein Land, das dem Staat der Shoah-Überlebenden mit Auslöschung droht, auf der anderen Seite ist der Staat der Holocaust-Überlebenden, der als Reaktion auf die Massenvernichtung im Nationalsozialismus gegründet wurde und ein Staat ist, der mittels seiner militärischen Gewalt — denn anders geht es nicht —, das Leben von Juden und Jüdinnen in der ganzen Welt versucht zu garantieren. Ich verteidige die israelischen Nuklearwaffen völlig offensiv.

Würde der aggressive Ton Irans relativiert werden, wenn es einen palästinensischen Staat gäbe, den die Palästinenser anerkennen?

Das würde das iranische Regime nicht als Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes sehen. Das iranische Regime hat bis heute klipp und klar in all seinen Auslegungen von den Radikalen über die Konservativen über die Moderaten bis hin zu den Reformern immer wieder gesagt, dass die Lösung des Palästina-Konfliktes die Vernichtung des israelischen Staates sei. Da geht es nicht um einen Ausgleich, Kompromiss oder die Verbesserung der Situation der Palästinenser, sondern es geht um die Vernichtung Israels. Um es mit den Worten unseres Mit-Autors Henryk Broder zu sagen: Selbst wenn sich Israel an den Strand von Tel Aviv zurückziehen würde, würden diese Leute weiterhin die Vernichtung des israelischen Staates fordern. Es ist also völlig egal, ob Israel sich aus dem Gaza-Streifen zurückzieht oder ihn besetzt, ob es ein Friedensangebot macht oder auf militärische Lösungen setzt. Diese Leute sagen, der Zionismus muss aus der Weltgeschichte verschwinden. Es geht dabei natürlich nicht um die Palästinenser. Das auf palästinensischer Seite existierende Leid könnte man am besten dadurch minimieren, dass es zu einem Ausgleich und Kompromiss kommt und nicht diesen ewigen Krieg gegen Israel fortführt, der auf beiden Seiten hohe Opfer fordert. Aber das iranische Regime forciert das Gegenteil: Als Arafat, (man muss heute wohl sagen: eh nur zum Schein), in den 90er Jahren einen Kompromiss anstrebte, ist das iranische Regime über ihn hergefallen. Die Iraner unterstützen bis heute die Leute, die gegen jeglichen Kompromiss auftreten, also zum Beispiel die Hamas in den Palästinensergebieten. Ich halte die Hamas für eine durch und durch anti-palästinensische Bewegung, weil die Politik solcher Gruppierungen eben auch dazu führt, dass das Leid und das Sterben auf palästinensischer Seite immer weiter gehen werden.

Ist die Tatsache, dass der Iran die größte israelische Gemeinde außerhalb Israels in der Region beherbergt, es Synagogen im Iran gibt und Juden und Jüdinnen nicht verfolgt sind wie z.B. die Baha‘i purer Schein nach außen eines in Wahrheit antisemitischen Staates?

Im Pseudo-Parlament ist sogar ein Platz für einen Vertreter der jüdischen Minderheit vorgesehen, der auch besetzt wird. In der Regel sind Juden und Jüdinnen tatsächlich nicht systematisch wie Baha’i verfolgt, wobei es auch Verfolgungswellen gibt, in denen ihnen dann Spionage für Israel vorgeworfen wird. Nichtsdestotrotz sind sie keine gleichberechtigten Staatsbürger. Juden und Jüdinnen im Iran haben genau die Rolle zugewiesen bekommen, die der Islam für solche Minderheiten auch vorsieht. Nämlich die von Schutzbefohlenen. Dies ist auch eine Schönrednerei der bisherigen islamischen Herrschaft in früheren Jahrhunderten, wo es immer heißt, dass Juden und Moslems friedlich miteinander gelebt haben. Auch da hatten Juden die Rolle der Schutzbefohlenen inne und das bedeutet, wenn sie sich damit abfinden, dass sie als eine weit gehend entrechtete, diskriminierte Minderheit in diesen Ländern existieren, dann haben Sie dort Lebensrecht und man kann ihnen sogar Dinge wie einen Sitz im Parlament zugestehen. Und auch heutzutage leben die Juden im Iran unter einem politischen Druck. Sie müssen sich ständig von Israel und dem Zionismus distanzieren, weil sie sonst unter dem Dauerverdacht der Kollaboration stehen. D.h. sie dürfen keinerlei Kontakte nach Israel unterhalten, was schwierig ist, weil die meisten Juden und Jüdinnen im Iran Verwandte dort haben. Dieses Argument mit den im Iran lebenden Juden kommt ständig, um den Antisemitismus des Iran schönzureden. Es behauptet niemand, der Iran wäre das Gleiche wie der Nationalsozialismus, das ist völliger Quatsch. In unserem Sammelband versucht ein Artikel sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen Nationalsozialismus und dem heutigen Iran herauszuarbeiten. Es gibt natürlich ideologische Schnittmengen, nur ist es nicht einfach das Gleiche. Da sind viele Dinge, die unter völlig anderen ökonomischen und weltpolitischen Bedingungen stattfinden. Es gibt den starken religiösen Bezug in der Ideologie, den es im Nationalsozialismus, wenn, dann anders gegeben hat. Der Iran hat ein ganz anderes Potenzial, denn Nazi-Deutschland war eine der stärksten industrialisierten Mächte mit einer riesigen Armee. Aber der Iran ist lediglich anders und nicht weniger gefährlich. Aus dieser Andersartigkeit kann in einigen Punkten sogar eine zusätzliche Gefährlichkeit resultieren. Im Nationalsozialismus gab es z.B. keine Nuklearwaffen, die es heute gibt und einem ökonomisch schwachen Land ermöglichen, eine Gefahr darzustellen. Im Zeitalter von Massenvernichtungswaffen ist es wenig beruhigend, wenn man darauf hinweist, dass weder der Iran noch die djihadistischen Gruppen über eine schlagkräftige Nationalökonomie verfügen, wie Nazi-Deutschland sie hatte. Man benötigt auch keine Wehrmacht mit weit über 10 Millionen Soldaten mehr, es reichen andere Mittel.

Ist der Iran nicht dennoch ein zu rationaler Akteur als dass er tatsächlich einen Nuklearschlag gegen Israel verüben würde?

Darauf sollen sich die Juden verlassen? Man hat ihnen schon einmal gesagt, dass die Drohungen nicht so ernst gemeint sind. Damals konnte man sogar noch verstehen, weshalb niemand dies ernst nahm und dass sich niemand vorstellen konnte, dass sich der Nationalsozialismus derart radikalisiert und auch noch den eigene Untergang mit einkalkulieren würde. Von iranischen Verbündeten wie Hassan Nasrallah kann man lernen, dass es nicht um die reine Zerstörung einer staatlichen Struktur geht. Nasrallah hat einmal gesagt, es wäre gut, wenn sich alle Juden in Israel versammelten, weil es ihnen die Mühe erspare, sie weltweit verfolgen zu müssen. Das ist eine ganz offene antisemitische Vernichtungsankündigung. Wenn man sich djihadistische Gruppierungen ansieht, muss man zur Kenntnis nehmen, dass sie sich überhaupt nicht mäßigen sobald sie Macht erlangen. Sondern sie versuchen, ihre Ziele mit rationalen Mitteln in die Tat umzusetzen. Auch im Iran gibt es eine Gleichzeitigkeit von Pragmatismus und Vernichtungswahn. Die europäischen Kommentatoren relativieren gerne den Vernichtungswahn durch den Hinweis auf den natürlich vorhandenen Pragmatismus. Das halte ich für einen großen Fehler, denn gerade die Gleichzeitigkeit ist das, was dieses Regime charakterisiert und gefährlich macht. Sie haben eine völlig irrationale, märtyrerhafte, djihadistische Ideologie, setzen die aber sehr geschickt mit rationalen politischen Mitteln in die Tat um.

Ayatollah Khomeini hat aber das damalige unter dem Schah begonnene Atomprogramm untersagt, da er es als „unislamisch“ bezeichnete. Die Wiederaufnahme war eine Folge des Irak-Iran Krieges und des Einsatzes chemischer Waffen durch Saddam Hussein und somit eher eine sicherheitspolitische Entscheidung, zu der Khomeini gedrängt wurde.

Aber die erste Entscheidung ist insofern nicht relevant, als sie nicht in der Form einer „fatwa“ von Khomeini geäußert wurde und somit nicht verbindlich ist, weshalb er sich dann auch um entscheiden konnte. Es gibt zwar, soweit ich weiß, keine offiziellen Quellen darüber, aber iranische Oppositionelle sagen, dass die Entscheidung für die Wiederaufnahme des Atomprogramms als eine Art endgültiger Entschluss gefällt wurde. Aber nochmals zurück zu der irrationalen Märtyrerideologie, die mir ein Knackpunkt zu sein scheint, weil das auch etwas ist, das Leute im Westen oft nicht verstehen. Diese Ideologie ist auch in vielen arabischen Ländern vorhanden, wenn auch nicht immer in den Regierungen der Länder. Ex-Präsident Rafsanjani hat gesagt, dass man den Abwurf einer Atombombe über Israel in Erwägung ziehen müssen, weil dies die Auslöschung des israelischen Staates auf einen Schlag sei, und dafür müsse man auch viele eigene Tote in Kauf nehmen. Ein Regime, das offensichtlich bereit gewesen wäre, bis zu einer halben Million der eigenen Kinder im Iran-Irak Krieg zu opfern, meint die Märtyrerideologie ernst, trägt sie nicht als Rhetorik vor sich her und macht ausgehend von ihr Politik. Das Problem ist, alle versuchen, das Regime mit ihren eigenen Maßstäben von Rationalität zu beurteilen — und das funktioniert nicht. Man muss das ernst nehmen. Und ich komme da auch nicht weg vom Nationalsozialismus, denn das ist der springende Punkt: Man muss doch heutzutage wissen, wenn Judenmörder den Judenmord ankündigen, dann meinen Sie das ernst. Ich bin froh, dass es ein Land wie Israel gibt, das aus der leidvollen Erfahrung genau das verstanden hat und das auch genau weiß, dass die meisten Leute auf der Welt das immer noch nicht verstanden haben, dass also die Israelis letztendlich wohl völlig auf sich allein gestellt sein werden.

„Antideutschen“ wird oftmals vorgeworfen, nicht Israel-kritisch sein zu können und umgekehrt, dass sie jeden Israel-kritischen Kommentar als antisemitisch abstempeln. Inwiefern kritisieren sie Israel?

Ich finde, Israel ist zu liberal. Es gibt in Israel z.B. ein Problem mit Islamismus. Es wäre wahrscheinlich in keinem europäischen Parlament vorstellbar, dass Leute im Parlament sitzen, die den Staat prinzipiell in Frage stellen. In Israel tritt das Islamic Movement zu Knessetwahlen an und sitzt auch in der Knesset. Das sind islamistische arabische Israelis, im Prinzip die Hamas in Israel. Ich verstehe nicht, weshalb die nicht verboten ist. In jeder europäischen rechtsstaatlichen Demokratie wäre so eine Organisation verboten. Es gibt in Israel auch ein Problem mit Ehrenmorden, was lange nicht ernst genommen wurde, was wahrscheinlich ein bisschen mit dem Kulturrelativismus, der auch in Israel existiert zu tun haben wird. Ich halte dies für einen Verrat an den muslimischen Frauen, die in diesen Communities leben. Ich glaube auch, dass der Abzug aus dem Gaza-Streifen in der Art und Weise, wie er erfolgt ist, falsch war. Ich habe also sehr viel an Israel zu kritisieren. Aber Sie wollen natürlich etwas anderes hören: Ich weiß, dass bei der Verteidigung Israels Dinge passieren, die überhaupt nicht in Ordnung sind. Wenn ich in Israel bin, kritisiere ich das auch sehr gerne. Es gibt kaum ein Land auf der Welt, wo das israelische Vorgehen so vehement kritisiert wird wie in Israel selber. Ich glaube, die Kritik ist dort gut aufgehoben, denn in Europa wird sie für etwas völlig anderes verwendet. In Europa gibt es einen doppelten Standard. Viel schlimmere Menschenrechtsverletzungen anderer Länder werden nicht beachtet, aber Israel wird vehement kritisiert. Ich glaube, dass das gerade in Österreich und Deutschland sehr viel mit Antisemitismus zu tun hat. Kritik an Israel, die überhaupt nichts mit Antisemitismus zu tun hat, ist meiner Meinung nach sehr selten.

Ist Antisemitismus etwas anderes als Antizionismus?

In der Regel bedeutet Antizionismus Antisemitismus. Es gibt aber auch Ausnahmen. Ich würde z.B. historisch zwischen einem Antizionismus vor Auschwitz, der sich aus mehreren Gründen legitimieren konnte, und einem Antizionismus nach Auschwitz unterscheiden. Es kommt immer auf die Ausprägung des Antizionismus an, aber in der Regel ist Antizionismus antisemitisch begründet. Das kann man an dem Fakt festmachen, dass Antizionismus ja erst mal nicht mehr meint, als das Juden und Jüdinnen kein Recht auf eine eigene nationalstaatliche Existenz haben. Bekanntlich gesteht man das den meisten anderen Ländern dieser Welt zu. Warum also den Juden nicht? Wenn man es ihnen nicht zugesteht, und das ist der Wortsinn von Antizionismus, ist es ein doppelter Standard. Und das ist sogar nach der Deklaration der Europäischen Union antisemitisch.

Was planen Sie mit Café Critique und STOP THE BOMB an weiteren Aktivitäten?

Wir werden im Herbst sowohl als Café Critique als auch als STOP THE BOMB weitere Veranstaltungen machen. Wir werden auch das Buch weiter präsentieren und hoffen, dass es eine Diskussion anregen kann. Wir wollen ja durch dieses Buch versuchen, eine politische Aktivität zu initiieren.

Gab es eine Resonanz von OMV oder politischer Seite auf die Veröffentlichung?

Die OMV hat sich an uns als Kampagne sehr frühzeitig gewendet. Sie wollten sich mit uns treffen und reden, allerdings alles nur hinter verschlossenen Türen, was wir abgewiesen haben. Denn das ist die übliche Art der OMV, Kritik mundtot zu machen und sie einzudämmen. Wir sind jederzeit zu einer öffentlichen Diskussion vor Medienvertretern bereit, denn wir haben nichts zu verbergen. Von politischer Seite haben wir unaufgeforderter weise ein Schreiben des österreichischen Außenministeriums bekommen, wo versucht wird, der Kampagne STOP THE BOMB die österreichische Position zu erklären und den Vorwurf des Appeasement zurückweisen. Das ist gut, denn das bedeutet, dass der Druck, den wir versuchen auszuüben, ein bisschen funktioniert. In die Richtung werden wir weiterarbeiten, denn der OMV-Deal ist noch nicht zum Abschluss gebracht. Wir haben außerhalb der OMV-Hauptversammlung protestiert, aber wir waren auch in der Hauptversammlung. Mit dem Kauf einer Aktie hat sich meine Mitherausgeberin Simone Dinah Hartmann das Recht erworben, dort zu reden und hat das auch gemacht. Die OMV reagierte sehr unprofessionell auf die Kritik. Sie wurde abgewürgt und von den Kleinaktionären niedergebrüllt, was schlecht vor den internationalen Medienvertretern aussah. Das war ein ziemlicher Erfolg für uns mit großer Medienresonanz. Die OMV hat mittlerweile das Problem eines Imageverlustes. Außerdem ziehen sich größere Konzerne aus dem Iran teilweise zurück, wie Total aus Frankreich, weil sie die politische Lage als zu brisant empfinden. Wir glauben nicht, dass die OMV den Deal aus moralisch-politischen Gründen zurückziehen würde, aber sie muss sich überlegen, ob sie das aus ökonomischen Überlegungen noch machen kann. Meiner Meinung nach ist es ziemlich kurzsichtig, dort Milliarden zu investieren, wenn es möglicherweise zu einer militärischen Konfrontation kommen kann. Wir werden weiterhin versuchen, deutlich zu machen, dass es gute Gründe gibt, mit so einem Regime keine Geschäfte zu machen. Man kann mit Holocaust-Leugnern, die ihre eigene Bevölkerung massakrieren, Schwule und Lesben an Bäumen aufhängen und allen Frauen, die sich dem islamischen Sittenkodex nicht unterwerfen, drangsalieren oder steinigen, keine Geschäfte machen und auch keine Diskussionen führen. Die muss man bekämpfen.

Eine Journalistin der IRNA wurde nicht in ihre Konferenz hineingelassen. U.a. um die anwesenden Exiliraner zu schützen. Wieso gibt es dann Videoveröffentlichungen der Konferenz?

Zwei Gründe waren für das Ausschließen der Journalistin ausschlaggebend: Zum einen ist IRNA eine staatliche Nachrichtenagentur und somit war die Frau eine Vertreterin des Regimes, mit dem wir jeglichen Kontakt ablehnen. Uns wurde gesagt: Das ist ein Skandal, eine Verletzung der Pressefreiheit. Aber wir finden, dass es ein Skandal ist, dass österreichische Journalisten mit so einer Frau zusammenarbeiten und sie als Kollegin betrachten. Zum anderen ging es uns tatsächlich um den Sicherheitsaspekt, wobei es hier nicht um das Podium ging. Beim Podium konnten wir jeden einzelnen fragen, ob es in Ordnung ist, wenn die Konferenz auch im Internet veröffentlicht wird. Beim Publikum ging das nicht und im Publikum saßen haufenweise Exiliraner, die wir schützen wollten. Wir wurden auch explizit von den exiliranischen Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, darum gebeten.

Warum sind Symposien wie Ihres oftmals nicht wirklich meinungsvielfältig bzw. warum werden selten Vertreter entgegen gesetzter politischer Ansätze eingeladen? Würde das nicht die Diskussion erweitern und beleben?

In bestimmten Konstellationen sind wir bereit zu solchen Diskussionen. Aber wenn wir selber eine Konferenz organisieren, sehe ich es nicht als meine Aufgabe an, anderen Leuten ein Podium zu bieten. Diese politischen Ansätze haben sowieso eine völlig überproportionale Präsenz in den deutschsprachigen Medien. Für uns ist es deshalb notwendig, uns den Raum zu erarbeiten, in dem wir unsere Position vertreten können. Wir sind auch nicht alle völlig auf einer Linie, z.B. wird die Frage der Notwendigkeit und Zielsetzung von Militäraktionen durchaus unterschiedlich gesehen und kontrovers diskutiert. Wir kommen auch vielfach aus anderen politischen Richtungen. Dennoch war es uns natürlich ein Anliegen, Leute einzuladen, die gewisse Rahmenbedingungen akzeptieren. Das sind Leute, die für einen Boykott Irans und einen regime change einstehen.

Brandaktuell ist die Annäherung der USA an den Iran, in Form der Anwesenheit bei den Atomverhandlungen und einer möglichen Interessenvertretung der USA in Teheran.

Diesen Schritt halte ich für vollkommen falsch. Das ist eine katastrophale Entwicklung. Wobei die Überlegung über eine Interessenvertretung in Teheran nicht nur verwerfliche Gründe einer Annäherung hat, sondern es gibt den Hintergedanken der Stärkung der iranischen Opposition und der Erleichterung der Ausreise aus dem Iran für die Bevölkerung. Diese Überlegung ist legitim. Aber dennoch wird dies als völliger Kursschwenk wahrgenommen.

Wird es 2009 zu Militäraktionen im Iran kommen?

Wenn die Entwicklung so weitergeht, wie sie sich im Augenblick darstellt, dann wird es in unmittelbarer naher Zukunft militärische Schläge gegen den Iran geben. Das ist eine ziemlich grauenhafte Perspektive und ich bilde mir ein, recht genau zu wissen, was das bedeutet. Trotzdem muss man konstatieren, wenn die so genannte Weltgemeinschaft sich weiterhin so verhält, wie sie es im Augenblick tut, dann ist es das, worauf es hinauslaufen wird.



Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann (Hg.): Der Iran - Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer. Studienverlag, Innsbruck - Bozen - Wien 2008
mit Beiträgen von Matthias Küntzel, Benny Morris, Beate Klarsfeld, Leon de Winter, Henryk M. Broder, Wahied Wahdat-Hagh, Yossi Melman, Thomas von der Osten-Sacken u. a.
292 Seiten, 29,90 Euro, ISBN: 978-3-7065-4599-0

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Herausgeber von „Feindaufkärung und Reeducation. Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus“ (ça ira 2006), Mitherausgeber von „Spektakel — Kunst — Gesellschaft. Guy Debord und die Situationistische Internationale“ (Verbrecher 2006) und Autor von „Fetisch und Freiheit. Über die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus“ (ça ira 2007).
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